Pubertätsstörungen
Überblick
Synonyme: Krankheiten der Keimdrüsen, Störungen der Pubertät
Unter Pubertät versteht man die Phase zwischen Kindheit und Erwachsensein. Der Körper verändert sich. Mädchen fangen schon ab dem elften oder zwölften Lebensjahr an, sich zu Frauen zu entwickeln, bei Jungen setzt die Pubertät etwas später ein, meist mit zwölf, dreizehn Jahren. Man kann die Pubertät in mehrere Stadien einteilen. Zuerst bilden sich die äußeren Geschlechtsmerkmale (Brust, Penis, Schambehaarung) aus, dann folgt eine Phase des Wachstums. Auch das mentale und psychische Verhalten ändert sich – was oft zu Meinungsverschiedenheiten und Krisen zwischen Eltern und Kindern führen kann. Verantwortlich für diesen großen körperlichen Umbruch sind die Keimdrüsen (auch Geschlechtsdrüsen oder Gonaden genannt). Sie produzieren Signalstoffe (Hormone), welche die geschlechtliche Entwicklung schon ab der Schwangerschaft steuern – Testosteron und Östrogen gehören zu ihnen. Welche Hormone von den Gonaden gebildet werden, ist im menschlichen Erbgut, der DNA, festgelegt. Es gibt zwei spezielle Chromosomen (fadenförmige Gebilde, die die DNA, den „Bauplan des Menschen“ enthalten), welche das Geschlecht bestimmen. Man nennt sie Geschlechtschromosomen oder Gonosomen. Das sind bei Frauen zwei X-Chromosomen (XX), bei Männern ein X- und ein Y-Chromosom (XY). Pubertätsstörungen können über diese Geschlechtschromosomen vererbt sein, aber auch ohne genetische Belastung auftreten. Es gibt verschiedene hormonelle Behandlungsmöglichkeiten. Man unterscheidet zwischen verzögerter oder ausbleibender und frühzeitiger Pubertätsentwicklung. Im Folgenden werden verschiedene Formen vorgestellt.
Pubertas tarda Verzögerte oder ausbleibende Pubertätsentwicklung
Bei Kindern mit Pubertas tarda fehlen im Alter von 14 Jahren bei Mädchen und 15 Jahren bei Jungen die sekundären Geschlechtsmerkmale. Das sind Merkmale der sexuellen und erotischen Attraktivität (bei Frauen z.B. runde Figur mit Hüfte und Po) welche zur Geschlechteranziehung führen. Das Ausbleiben der Pubertät kann durch unterschiedliche Faktoren verursacht sein: Hormonstörungen, schwere und lange andauernde Allgemeinerkrankung, Mangelernährung, Drogenabusus (Marihuana) oder Übertraining. Bei der Diagnose wird anhand eines Blutbildes überprüft, ob die Gonaden genügend Sexualhormone herstellen. Bei nicht ausreichender Produktion spricht man von Hypogonadismus (die Aktivität der Keimdrüsen ist verringert). Die folgenden Erkrankungen werden der verzögerten/ausbleibenden Pubertätsentwicklung beigeordnet.
Hypogonadotroper Hypogonadismus Isolierter kongenitaler Gonadotropinmangel Kallmann-Syndrom
Gonadotropine – wieder so ein Fachwort, letztendlich auch nur ein Hormonname – regulieren die Produktion des Testosterons (das Sexualhormon der Männer) und die Spermienproduktion in den Hoden. Diese äußerst wichtigen Hormone fehlen bei hypogonadotropem Hypogonadismus. So können die Geschlechtsmerkmale nicht ausgebildet werden, es kommt zur Pubertas tarda. Die Krankheit wird fast ausschließlich bei Jungen beobachtet. Das Kallmann-Syndrom beschreibt auch eine Form des hypogonadotropem Hypogonadismus, bei welchem das Fehlen des Geruchsvermögens hinzukommt. Verantwortlich für den Mangel an Gonadotropin ist eine Veränderung auf dem X-Chromosom. Bei der Diagnose werden die im Blut vorhandenen Sexualhormone analysiert, außerdem ist ein verzögertes Knochenwachstum festzustellen. Zudem wird zur Diagnose des Kallmann-Syndroms eine Geruchsprüfung durchgeführt.
Hypergonadotroper Hypogonadismus - Ullrich-Turner-Syndrom (UTS )
Das Ullrich-Turner-Syndrom (UTS ) tritt fast ausschließlich bei Mädchen mit einer Häufigkeit von 1:2500 auf. Bei Mädchen, die unter UTS leiden, fehlt ein X-Chromosom. Dies hat zur Folge, dass die Zahl der Eizellen drastisch reduziert ist und zum Zeitpunkt der ersten Menstruation nur noch eine sehr geringe Anzahl in den Eierstöcken vorhanden ist. In sehr seltenen Fällen kann es trotz UTS zur Pubertät und sogar spontan zur Schwangerschaft kommen. Die Symptome sind Kleinwuchs und verschobene Körperproportionen. Hinzukommen können ein kurzer Hals, weiter Abstand der Brustwarzen und Fehlbildung der Nieren, der Lungenvenen oder der Aorta. Um UTS zu diagnostizieren, wird eine Chromosomenanalyse durchgeführt, außerdem sind die Gonadotropinwerte im Blut erhöht. Unter Umständen kann die Diagnose auch durch eine Ultraschalluntersuchung der Gebärmutter gesichert werden.
Klinefelter-Syndrom
Mit einer Häufigkeit von 1:1000 ist das Klinefelter-Syndrom eine wichtige Ursache für eine Unterfunktion der Hoden. Ursache dafür ist eine veränderte Anzahl der Geschlechtschromosomen: beim Mann XXY. Dies führt zur Ausprägung eines kleinen Penis und kleinen Hoden. Während der Pubertät ist die Vermännlichung der betroffenen Jungen gestört, sie kann aber auch normal verlaufen. Häufig treten beim Klinefelter-Syndrom auch andere Erkrankungen wie Diabetes mellitus (Typ II), Krampfadern, Verhaltensauffälligkeit und Lernbehinderung auf. Der Knochenwuchs ist verzögert, zur Diagnose wird eine Chromosomenuntersuchung durchgeführt.
Therapie der Pubertas tarda
Mädchen
Um die Pubertät herbeizuführen, werden ab dem 13. Lebensjahr steigende Dosen Östrogen und Gestagen (die weiblichen Sexualhormone) verabreicht. Beim UTS beginnt man die Therapie erst mit 14 bis 15 Jahren, da sich Östrogen negativ auf das Wachstum auswirken kann.
Jungen
Bei Jungen beginnt man die Behandlung mit Hormonen (Androgenen) etwas später, meist ab einem Alter von 14 Jahren. Dies kann über Injektionen oder einer Salbe geschehen.
Pubertas praecox
Vorzeitige Pubertätsentwicklung
Wenn Pubertätsmerkmale vor dem vollendeten achten Lebensjahr beim Mädchen und vor dem vollendeten neunten Lebensjahr beim Jungen auftreten, spricht man von vorzeitiger Pubertätsentwicklung. Die Ursache der Pubertas praecox ist ungeklärt. Durch eine vorzeitige Stimulation der Keimdrüsen kommt es zur verfrühten Pubertät. Die Patienten zeigen alle Zeichen der Pubertät und fallen durch ein beschleunigtes Längenwachstum auf. Die schnelle körperliche Entwicklung ist der psychischen sehr weit voraus – die Kinder müssen daher von ihren Eltern moralisch gestärkt und unterstützt werden. Eine frühe Pubertät ist für das Kind sehr schwierig, da es sich auf einmal stark von Freunden und Klassenkameraden unterscheidet. Aber es ist keine „Krankheit“, die wieder verschwinden kann. Bei regelmäßiger Kontrolle und gegebenenfalls hormoneller Behandlung gibt es gute Therapiemöglichkeiten. Die folgenden Erkrankungen werden der Pubertas praecox zugeordnet.
Prämature Adrenarche
Diese Erkrankung beschreibt das vor allem bei Mädchen frühzeitige Auftreten (viertes bis siebtes Lebensjahr) von Behaarung im Scham- und Achselbereich ohne andere Pubertätszeichen. Wenn andere Pubertätsstörungen ausgeschlossen werden, muss diese Erkrankung nicht behandelt werden, es empfiehlt sich aber eine regelmäßige Untersuchung.
Prämature Thelarche
Aus noch nicht bekannter Ursache wird übermäßig Östrogen produziert, dies führt zur vorzeitigen Entwicklung der weiblichen Brust (in den ersten beiden Lebensjahren). Andere Pubertätszeichen fehlen.
Prämature Menarche
Durch eine übermäßige Östrogenproduktion (ähnlich der Thelarche) kommt es zu frühzeitigem Einsetzen zyklischer vaginaler Blutungen ohne andere Pubertätszeichen.
Pubertätsgynäkomastie
Vermutlich durch ein zeitweiliges Überwiegen des Östrogens kommt es bei Jungen im Alter zwischen 14 und 15 Jahren zu Schwellungen des Brustdrüsengewebes. Meist bildet sie sich spontan zurück. Bei fehlender Rückbildung (z.B. psychisch bedingt) kann das Brustdrüsengewebe auch operativ entfernt werden.
Therapie der Pubertas praecox
Je nach Diagnose und Symptomatik gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Erkrankung über Zugabe von Hormonen zu lindern. Teilweise gibt es auch eine spontane Heilung.
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