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ADHS – Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom

Überblick

Synonyme: ADS, Hyperaktivitätssyndrom, Zappelphilipp-Syndrom
Ältere Bezeichnungen: Frühkindliche leichte Hirnschädigung, Hyperkinetisches Syndrom (HKS)

Mozart, Einstein, Pestalozzi, Kurt Cobain und der Struwwelpeter hatten eine Gemeinsamkeit. Obwohl sie sehr unterschiedliche Persönlichkeiten waren, sollen sie alle vom so genannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) betroffen gewesen sein.
Im Jahr 1845 beschrieb der Nervenarzt Heinrich Hoffmann in seinem Buch „Der Struwwelpeter“ einen Jungen, der in seiner Verhaltenssymptomatik ein Beispiel für ein unter ADHS leidendes Kind darstellt: impulsiv, unruhig, unkonzentriert, nicht fähig, ruhig zu sitzen, und oft zerstreut. Man geht davon aus, dass heute jedes 20. Schulkind an Aufmerksamkeitsstörungen leidet, dabei deutlich mehr Jungen als Mädchen. ADHS ist damit die häufigste psychiatrische Störung im Kindes- und Jugendalter. Die Störung ist allerdings keineswegs auf das Kindesalter beschränkt. Auch das Erscheinungsbild kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt den typischen Zappelphilipp, den depressiven Jugendlichen, den verträumten und immer entrückten Hans-Guck-in-die-Luft, den sozial auffälligen und impulsiv-agressiven Friederich, den argen Wüterich oder auch den brillanten zerstreuten Professor.

Eine reizende Welt

Das Gehirn von ADHS-Betroffenen kann Informationen aus der Umwelt nicht adäquat verarbeiten. Es entsteht ein Reiz-Stau. Je mehr Informationen auf sie einströmen, desto schwieriger ist es für sie, die Situation zu überblicken. Auch Gefahren können durch den Reizüberfluss oft nicht rechtzeitig erkannt werden, wodurch die Unfallgefahr bei ADHS-Kindern deutlich erhöht ist. Der Ausprägungsgrad von ADHS schwankt von Kind zu Kind. Verhaltensauffälligkeiten treten in Gruppensituationen meist stärker zutage. Schulprobleme sind daher fast immer zu erwarten. Viele ADHS-Kinder werden für wenig leistungsfähig gehalten und landen nicht selten auf Sonderschulen, obwohl deren Begabung auch einen höheren Schulabschluss ermöglichen würde.

Ursachen

Der Sache auf den Grund gehen

Die Ursachen, die zu ADHS führen, sind nicht geklärt. Mehrere Faktoren spielen zusammen und man geht heute von drei Hauptursachen aus:

  • einer genetischen Veranlagung,
  • einer Schädigung des Zentralnervensystems im Mutterleib durch Alkohol, Drogen oder Nikotin,
  • von psychosozialen Umständen, die zu einer Fehlentwicklung führen.

Weiter sind besonders Frühchen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g und so genannte Schreibabys gefährdet. Diese Kinder haben einen verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus und sind schwer zu beruhigen. Wenn die elterlichen Bezugspersonen nicht die Möglichkeit haben, in dieser „Schreiphase“ adäquat auf die Kinder einzugehen, erhöht sich das Risiko dieser Kinder, hyperaktiv zu werden. Psychosoziale Faktoren werden jedoch nicht als Hauptursache gesehen.

Blick ins Innere

Doch was verursachen diese Faktoren? Moderne bildgebende Verfahren, wie z.B. Kernspin-, Magnetresonanz- oder Positronen-Emmissions-Tomographie (PET), geben Ärzten heute die Möglichkeit, Kindern in den Kopf zu schauen. Gehirnareale, die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung steuern, sind bei Kindern mit hyperkinetischem Syndrom deutlich schlechter ausgebildet als gewöhnlich. Dies betrifft vor allem Areale, die benutzt werden, um Verhalten zu planen und sich zu konzentrieren.

Auf der Leitung stehen

Eng verbunden sind diese Veränderungen wohl auch mit dem Botenstoff Dopamin, der die eingehenden Informationen zu den Nervenzellen transportiert. Der Botenstoff kann von den Synapsen der Nervenzellen in den betroffenen Gehirnarealen nicht oder nur vermindert aufgenommen werden. Dadurch kommt es zu einem Dopamin-Mangel, der dazu führt, dass Informationen nicht verarbeitet werden können. Einige Experten glauben, dass ein weiterer Botenstoff, das Serotonin, ebenfalls an der Störung beteiligt ist. PET-Untersuchungen haben gezeigt, dass die betroffenen Hirnareale weniger Sauerstoff und Glukose verbrauchen als die von gesunden Kindern.

Symptome

Bei den Symptomen unterscheidet man zwischen Kernmerkmalen, die bei jedem hyperaktiven Kind vorhanden sind, und Merkmalen bzw. Verhaltensweisen, die auftreten können, aber nicht müssen. Die drei Kernmerkmale sind Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Überaktivität (die sich nicht unbedingt motorisch äußern muss). Altersunabhängig immer vorhanden, aber etwas schwieriger zu erkennen sind Störungen bei der Wahrnehmung, der Informationsverarbeitung und der Gedächtnisbildung (Abspeicherung).
Generell kann man Hyperaktivität schon früh erkennen. Oft sind die noch Ungeborenen bereits im Mutterleib sehr lebhaft. Als Babys und Kleinkinder sind sie häufig Schreikinder und sehr aktiv, indem sie experimentieren und Neues erkunden, ohne Gefahren richtig einschätzen zu können, was eine erhöhte Unfallgefahr mit sich bringt.
Im Vorschulalter sind sie schwer integrierbar und schließen sich Gruppen nur ungern an. Ihre Frustrationstoleranz ist niedrig. Sie stehen gern im Mittelpunkt und können sich nicht lange auf ein Spiel konzentrieren.
In der Schule manövrieren sie sich oft als Störenfried oder Klassenkasper in eine Außenseiterposition. Die Disziplin in der Klasse überfordert sie. Sie können sich nur wenige Minuten auf den Stoff konzentrieren und fangen dann an, andere Klassenkameraden zu foppen, in ihr Heft zu kritzeln, in die Luft zu gucken oder mit dem Stuhl zu kippeln. Auf Hausaufgaben können sie sich auch nicht konzentrieren. Trotz oft überdurchschnittlicher Intelligenz bleiben sie meist in der Schule zurück. Zusätzlich können Leistungsschwächen wie Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche) und Dyskalkulie (Rechenschwäche) oder visuelle, auditive oder taktile (den Tastsinn betreffende) Wahrnehmungsstörungen auftreten. Bei Jugendlichen lässt die motorische Unruhe meist nach, sie sind aber oft stimmungslabil, aggressiv, neigen zu Depressionen und sind leicht beeinflussbar.

Diagnose

Mode

Es wurden noch nie so viele ADHS-Fälle diagnostiziert und medikamentös behandelt wie heute. Ist ADHS der Fluch des Medienzeitalters oder stehen wir hier vor einer „Modediagnose“?
Nicht jedes lebhafte Kind ist hyperkinetisch, und nur ca. die Hälfte aller Kinder mit ADHS muss dauerhaft therapiert werden. Es besteht tatsächlich ein Trend zur vorschnellen Diagnose und medikamentösen Behandlung von ADHS.
ADHS gilt als angeborene Veranlagung und macht sich bereits vor dem sechsten Lebensjahr bemerkbar.

Lebenslauf

Eine fundierte Diagnose kann man vor allem anhand der Lebensgeschichte des Betroffenen stellen. Der Arzt muss hier zunächst eine ausführliche Anamnese vornehmen. Dies geschieht in persönlichen Gesprächen mit den Therapeuten, und sehr sinnvoll ist das Ausfüllen von Fragebögen durch den Betroffenen selbst. Neben eingehenden neurologischen Untersuchungen und computerbasierten Konzentrations- und Lerntests kommen auch neuropsychologische Untersuchungen zum Einsatz.

Drei Grundtypen

ADHS ist schwierig zu diagnostizieren, auch weil es verschiedene Ansichten darüber gibt, wie man die unterschiedlichen Erscheinungsformen von ADHS einteilen kann. Es setzt sich aber die amerikanische Sichtweise durch, die eine Dreiteilung vorschlägt in

  • Patienten, die hauptsächlich unter Konzentrationsstörungen leiden,
  • Patienten, die vorwiegend hyperaktiv und impulsiv sind, und
  • Patienten, die alle drei Kernmerkmale besitzen.

Therapie

Beruhigende Stimulanzien

Bei ADHS handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Stoffwechselstörung des Neurotransmittersystems im zentralen Nervensystem. Deshalb sind sich die meisten Fachleute einig, dass in sehr ausgeprägten Fällen eine medikamentöse Behandlung notwendig ist. Man behandelt das ADH-Syndrom mit so genannten Stimulanzien. Diese Stoffe wirken im Bereich der Schaltstellen der Nervenzellen, den Synapsen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Aufnahme der Botenstoffe zu normalisieren und so eine bessere Informationsverarbeitung durch eine schnellere Reizleitung zwischen den Neuronen zu ermöglichen.
Das bei der Behandlung von ADHS am meisten verwendete Medikament ist Methylphenidat, auch bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin. Diese Substanz verringert bei rund 70 bis 90 Prozent der Betroffenen die Impulsivität und Hyperaktivität und verbessert die Aufmerksamkeit. Die Dosierung sowie die Wirkdauer ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich und jeder Patient muss individuell eingestellt werden.

Parkinson-Ratten

Das Medikament ist jedoch nicht unumstritten. Kritiker warnen vor Nebenwirkungen des bereits in der Drogenszene als „Lovely Rita“ bekannten Aufputschmittels. Es ist zwar in mehreren Studien gezeigt worden, dass Kinder, die mit Ritalin behandelt wurden, später nicht zu Drogenkonsum neigen, jedoch gab es im Tierversuch bei Ratten Anzeichen von Veränderungen in den Dopamin produzierenden Zellen, wenn Ritalin vor der Geschlechtsreife verabreicht wurde. Man folgerte daraus, dass ein erhöhtes Risiko besteht, an Parkinson zu erkranken, wenn man zu früh mit der Pharmakotherapie beginnt. Ergebnisse aus Tierversuchen sind jedoch nicht unbedingt auf den Menschen übertragbar.

Soziale Unruhe

Andere Kritiker bemängeln, man wolle Problemkinder nur ruhig stellen und sich durch die medikamentöse Behandlung der sozialen Probleme zu entziehen. Experten halten aber dagegen, dass man die Kinder keineswegs ruhig stellt, sondern eher „normalisiert“.
Die Zahl der Verschreibungen für das Medikament sei allerdings so stark angestiegen, dass wahrscheinlich oft leichtfertig Rezepte ausgestellt werden.
Begleitend zur medikamentösen Therapie sind auch eine psychologische Betreuung, wie z.B. das Erlernen von festen Strukturen und Grenzen in einer Verhaltenstherapie, und regelmäßige sportliche Aktivitäten unabdingbar. Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen bieten Erfahrungsaustausch und Information.

Prognose

Durch die medikamentöse Behandlung werden nur die Symptome behandelt, nicht aber deren Ursachen. Daher bleiben ca. 30 Prozent der Betroffenen auch im Erwachsenenalter verhaltensauffällig und ca. 80 Prozent leben mit Restsymptomen und werden, wenn nötig, medikamentös behandelt.

 

Adressen zum Thema "ADHS"

Kliniken: 7 Einträge

Rehabilitationseinrichtungen: 3 Einträge

Sozialpädiatrische Zentren: 5 Einträge

Patientenverbände: 18 Einträge

Ergotherapeuten: 2 Einträge

Logopäden: 1 Eintrag

Selbsthilfegruppen: 13 Einträge

 

 



 

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