Legasthenie
Überblick
Mit Legasthenie wird eine Verarbeitungsschwäche im Bereich der Sprache bezeichnet. Die betroffenen Personen (Legastheniker) haben häufig Probleme mit der Umsetzung der gesprochenen zur geschriebenen Sprache. Es gibt zahlreiche verschiedene Formen der Legasthenie, die bei jedem Menschen individuell unterschiedlich sind. Die Legasthenie gehört wie die Dyskalkulie zu den Teilleistungsstörungen und ist eine spezielle Form der Lese-Rechtschreib-Schwäche, die wiederum alle Formen von Störungen in diesem Bereich bezeichnet, auch solche, deren Ursachen in schlechter Schulbildung, geistiger Behinderung, Sehschwäche oder Schwerhörigkeit liegen. Die ausgeprägte Lernstörung in den Bereichen Lesen und Rechtschreiben beruht bei Legasthenikern jedoch nicht auf zu niedriger Intelligenz, fehlender Lernbereitschaft oder schlechter schulischer Bildung. Im Gegenteil: von Legasthenie betroffene Kinder und Erwachsene sind durchschnittlich oder oft sogar überdurchschnittlich intelligent. Einer der bekanntesten Legastheniker ist Albert Einstein, der trotz seiner Probleme mit der Sprache zu denkerischen Höchstleistungen in der Lage war. So ist Legasthenie auch keine „Zeiterscheinung“, denn bereits im Jahr 1896 wurde vom englischen Arzt Morgan ein Bericht über einen normal begabten Jugendlichen veröffentlicht, der das Lesen nicht erlernen konnte. Da aber sowohl in der Schule als auch in unserer Gesellschaft Lesen und Schreiben einen sehr hohen Stellenwert besitzen, haben Menschen mit dieser Schwäche oft große Probleme. Bei mindestens 15 Prozent aller Schulkinder werden beim Erlernen von Lesen und Rechtschreiben Schwierigkeiten beobachtet. Vor allem von Seiten der Eltern und Lehrer sind eine Förderung der Stärken dieser Kinder und das Verständnis für ihre so oft vergeblichen Bemühungen enorm wichtig. Legasthenie ist häufig in einer Familie mehrfach zu beobachten und das ganze Leben lang anhaltend. Auch nach der Verbesserung der Lese- und Rechtschreibleistung wirkt die partielle Lernschwäche fort.
Ursachen
Legasthenie wird überwiegend durch genetische Veränderungen verursacht. Aufgrund von Vererbung oder manchmal auch durch Probleme bei der Geburt liegen kleinste Hirnfunktionsstörungen vor. Die Krankheit tritt in Familien mit Legasthenikern gehäuft auf, wobei sich das Risiko der Legasthenie für ein Kind erhöht, wenn beide Eltern Legastheniker sind. Man hat inzwischen mehrere Genorte identifiziert, ein Zusammenwirken von genetischen und Umweltfaktoren ist am wahrscheinlichsten. Es gibt auch Formen der erworbenen Legasthenie, die z.B. in zweisprachigen Familien auftreten können. Diese Schwierigkeiten sind weder erziehungs- noch milieubedingt, sind nicht auf eine allgemeine Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung, noch auf unzulänglichen Unterricht zurückzuführen. Es wird vermutet, dass bei Legasthenikern die auditive und visuelle Wahrnehmung und Verarbeitung der Sprache und vor allem der Phonetik anders abläuft als bei Nichtlegasthenikern. Durch verschiedene Untersuchungen hat man versucht, die spezifischen Ursachen für die Legasthenie herauszufinden. Zum einen ist das Lautbewusstsein von großer Bedeutung, denn die Wahrnehmung von Sprache einerseits und die Verarbeitung von Lauten andererseits sind Grundvoraussetzungen für das Lesen- und Schreibenlernen. In diesem Bereich können kleine Defekte vorliegen. Auch die visuelle Wahrnehmung kann unter Umständen gestört sein, das heißt, dass bestimmte Hirnregionen (z. B. die Region zur Erkennung von Buchstaben) weniger leisten als die restlichen. Eindeutige Wirkmechanismen hat man jedoch bis heute nicht gefunden. Symptome Legastheniker haben häufig unüberwindliche Rechtschreibschwierigkeiten, es fällt ihnen schwer, Wochentage, Monate oder Uhrzeiten zu behalten und zu ordnen. Auch gibt es Probleme bei der Eigenorganisation, Pünktlichkeit und Ordnung. Legasthenie tritt mit verschiedenen Begleitsymptomen auf. So kann sie mit der Schwäche gekoppelt sein, rechts und links zu unterscheiden, Schnürsenkel zu binden oder mehrere Anweisungen hintereinander zu befolgen. Für viele Betroffene ist es schlimm, wenn ihre Schwäche von anderen erkannt wird und deshalb versuchen sie, diese zu verbergen. Dadurch kann es jedoch zu Verhaltensstörungen kommen, die sie zu Außenseitern machen. Beim Lesen tauchen charakteristische Probleme auf, wie z.B. eine niedrige Lesegeschwindigkeit, häufiges Stocken, Verlieren der Zeile im Text, aber auch das Auslassen, Vertauschen oder Hinzufügen von Wörtern, Silben oder einzelnen Buchstaben. Beim Schreiben ist eine hohe Fehlerzahl bei ungeübten Diktaten typisch, Wörter werden teilweise fragmenthaft, im selben Text häufig auch mehrfach unterschiedlich falsch geschrieben. Hinzu kommen auffallend viele Grammatik- und Interpunktionsfehler und oft eine unleserliche Handschrift. Selbst beim wiederholten Üben kann der Betroffene meist nicht selbst erkennen, ob das Wort richtig oder falsch gelesen bzw. geschrieben wurde.
Diagnose
Die Diagnose einer Lese-Rechtschreib-Störung wird durch Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie oder Diplompsychologen, aber vor allem von Logopäden gestellt. Durch unterschiedliche Tests wird festgestellt, welche Lese- bzw. Rechtschreibleistung das Kind, bezogen auf sein Alter und seinen Intelligenzquotienten, erwartungsgemäß erbringen könnte. Liegt die Leistung deutlich unter einem festgelegten Toleranzwert, kann eine Legasthenie vorliegen. Speziell entwickelte standardisierte Testverfahren messen das Lesevermögen, die Rechschreibfertigkeiten und das Intelligenzniveau. Bei Legasthenie ist der neurologische Befund normal, das heißt, es liegen keine Nervenstörungen oder -schädigungen vor.
Therapie
Legasthenie ist nicht heilbar. Daher muss man bei der Therapie versuchen, dem Legastheniker den Umgang mit seiner Lernbehinderung zu erleichtern. Sie sollte ganzheitlich angelegt sein, d.h. der Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen in schulischer, sozialer und emotionaler Hinsicht gerecht werden. Dazu gehört in erster Linie, die Legasthenie so frühzeitig wie möglich festzustellen und somit als Ursache für das Scheitern in der Schule anzuerkennen. Die psychische Entlastung ist ein zentraler Punkt der Legasthenie-Förderung, da Spannungen im Umfeld aufgrund der schlechten Leistungen meist noch weitere negative Folgen – auch im gesundheitlichen Bereich – nach sich ziehen. Vor allem die Familie muss legasthenen Kindern den nötigen Rückhalt geben, damit sie sich trotz schlechter schulischer Leistungen positiv entwickeln können. Quälendes Üben zu Hause und der Druck, besser werden zu müssen, können sehr belasten. Bei entsprechender Förderung können sich legasthenische Kinder auf allen anderen Gebieten, die nicht Lesen und Schreiben erfordern, voll entfalten. Somit sollte man immer dazu angehalten sein, das Selbstwertgefühl bzw. das Selbstbewusstsein von Legasthenikern zu stärken. Durch genaues Prüfen der Sehfunktion kann man versuchen, diese durch spezielle Brillen und Trainingsverfahren zu verbessern. Im Allgemeinen kann man nur mit viel Fleiß und mit der entsprechenden therapeutischen Hilfe – besonders auch im Erwachsenenalter – die bestehenden Lese- und Schreibprobleme bewältigen.
Prophylaxe
Da die Legasthenie häufig erbliche Grundlagen hat, kann man von einer Prophylaxe in dem Sinn nicht sprechen. Wichtig für eine erfolgreiche Therapie ist jedoch eine frühzeitige Erkennung.
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