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Lissenzephalie

mit Walker-Warburg-Syndrom und Miller-Dieker-Syndrom

Überblick

Synonyme: Agyrie, Pachygyrie, „smooth brain“

Lissenzephalie ist eine schwere Fehlentwicklung des Gehirns, die autosomal rezessiv vererbt wird. Sie entsteht durch eine Wanderungsstörung der Nervenzellen, welche die Hirnrinde bilden. Die Hirnrinde steht in enger Beziehung zur Persönlichkeitsstruktur des Menschen, denn sie enthält das Seh- und Hörzentrum, sie besitzt Zentren für die Motorik der verschiedenen Körperregionen und ein Zentrum für Sinneseindrücke. Sie ist außerdem Sitz von Bewusstsein, Wille, Lernfähigkeit, Intelligenz und Gedächtnis sowie Emotionen und Sexualverhalten.
Man unterscheidet nach Symptomen und Auftreten Lissenzephalie Typ I und Typ II, wobei die Lissenzephalie vom Typ I am häufigsten vorkommt.
Die Lissenzephalie tritt auch gekoppelt mit anderen Syndromen wie dem Walker-Warburg-Syndrom oder dem Miller-Dieker-Syndrom auf.

Ursache

Bei der Entwicklung des Gehirns spielt das Neuralrohr eine wesentliche Rolle. Es ist ein flüssigkeitsgefülltes „Rohr“, aus welchem Rückenmark und Gehirn hervorgehen. Vom Neuralrohr aus wandern Nervenzellen ab, welche die Hirnrinde bilden. Diese ist das Integrationsorgan des Nervensystems und ihre verschiedenen Schichten werden auch als graue Substanz des Gehirns bezeichnet. Die Hirnrinde bildet normalerweise Furchen („Sulci“) und Windungen („Gyri“). Bei der Lissenzephalie fehlen diese jedoch. Man kann aber unterscheiden, ob Gyri und Sulci komplett fehlen (dann spricht man von „Agyrie“) oder nur unvollständig, plump und breit sind (das nennt man dann „Pachygyrie“). Bei vielen Patienten findet man sowohl Agyrie- als auch Pachygyrie-Bereiche.
Am häufigsten tritt Lissenzephalie bei einem Defekt an mindestens zwei Genen des Chromosoms 17 auf. Es gibt aber Meinungen, nach denen virale Infektionen des ungeborenen Kindes oder eine nicht ausreichende Blutversorgung des kindlichen Gehirns ebenfalls ursächlich sein können.

Symptome

Die Kinder mit Lissenzephalie leiden unter einer umfassenden Wachstumsverzögerung („Retardierung“), Wahrnehmungsstörungen und herabgesetzter Muskelspannung („Hypotonie“). Die Arme und Beine hängen schlaff herab, die Kinder können sich nicht eigenständig von der Bauch- in die Rückenlage bringen.
Aufgrund von Problemen bei der Nahrungsaufnahme kommt es zu erheblichen Ernährungsstörungen. Da die eigentlich zum Schlucken gedachte Nahrung oft „inhaliert“ wird, können dadurch vermehrt Lungenentzündungen entstehen.
Die Kinder können spontane Blickbewegungen ausführen, Personen oder Gegenstände aber nicht mit dem Blick verfolgen. Bei elterlicher Zuwendung lächeln sie kurz oder können sich reduziert spontan bewegen.

Miller-Dieker-Syndrom (MDS)

Das Miller-Dieker-Syndrom weist ähnliche Symptome wie die Lissenzephalie auf. Es wird vorwiegend eine Agyrie diagnostiziert, es kann aber auch gekoppelt Pachygyrie auftreten. In den meisten Fällen ist der Schädelumfang verringert (Mikrozephalie), die Stirn hervorstehend, die Nase klein und nach oben gespitzt und die Lidachse mongoloid geformt. Durch die schwerwiegende Fehlbildung des Gehirns entstehen ähnliche Komplikationen wie bei Lissenzephalie (Muskelhypotonie, Epilepsie, Wachstumsretardierung). In 65 Prozent der Fälle werden die Kinder mit Herzfehlern geboren, es treten aber auch an anderen Organen Schäden auf. Die Kinder sterben häufig vor dem zweiten Lebensjahr. Zur molekulargenetischen Diagnose kann eine Veränderung am Chromosom 17 nachgewiesen werden.

Walker-Warburg-Syndrom (WWS)

Neben der Lissenzephalie Typ II treten beim WWS auch Fehlbildungen der Augen und des Kleinhirns, ein Wasserkopf („Hydrocephalus“) und besondere Formen der Muskeldystrophie auf. Meist sterben die Kinder mit wenigen Monaten, da sie keine psychomotorische Entwicklung durchlaufen. Bei leichten Formen kann auch ein etwas höheres Alter (bis zu 10 oder mehr Jahren) erreicht werden, dies ist jedoch sehr selten. Allgemein tritt die Krankheit mit einer Häufigkeit von 1:30 000 – 50 000 Geburten auf, sie wird autosomal rezessiv vererbt.
Die schwersten Schädigungen betreffen das Auge und das Gehirn. Es können sich neben verschiedenen Gehirnschäden Encephalocele bilden, dies sind kleine, flüssigkeitsgefüllte Aussackungen, die häufig am Hinterkopf auftreten. Die Hirnrinde ist nicht gewunden und gefaltet, die Augen sind meist nicht funktionsfähig. Viele Kinder werden blind geboren, manche haben grauen oder grünen Star oder eine weiße, getrübte äußere Schicht des Auges.

Alle Kinder mit Lissenzephalie leiden an einer Muskeldystrophie, einer schweren Funktionsstörung und Schwäche der Muskeln.

Die Formen der Lissenzephalie und auch die verschiedenen Syndrome (WWS und MDS) sind variabel und können fließend ineinander übergehen, so dass man sie nicht immer klar voneinander unterscheiden bzw. abgrenzen kann.
Es gibt noch verschiedene andere Erkrankungen in Zusammenhang mit Lissenzephalie (Fukuyma-Syndrom, subkortikale Bandheterotropie, Muscle Eye Brain Desease), welche aber an dieser Stelle nicht besprochen werden.

Diagnose

Bei der vorgeburtlichen Untersuchung kann eine Lissenzephalie durch Ultraschall bedingt und nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Nach der Geburt kann man sie mithilfe einer Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostizieren. Bei diesen Untersuchungen wird deutlich, dass die Hirnrinde verdickt ist und das Gehirnwindungsrelief nahezu fehlt. Häufig wird eine Lissenzephalie erst einige Wochen nach der Geburt festgestellt, da die Reflexe der ersten Wochen (z.B. das Schlucken) vom Hirnstamm gesteuert werden und das Neugeborene deshalb nicht auffällt.

Therapie

Die Formen der Lissenzephalie und die verschiedenen Symptome sind nicht heilbar und nur symptomatisch zu therapieren.
Betroffene Eltern können sich genetisch beraten lassen oder Untersuchungen zur vorgeburtlichen Diagnose durchführen lassen. Eine spezielle Betreuung während der Schwangerschaft bzw. eine Beratung bei erneutem Kinderwunsch sind von großer Wichtigkeit.

Prognose

Aufgrund der groben psychomotorischen Retardierung machen die betroffenen Kinder nur sehr selten Fortschritte in der Entwicklung. Aufgrund von Komplikationen wie Lungenentzündung und Blutvergiftung werden nur wenige Patienten älter als zehn Jahre. Es gibt jedoch Annahmen, dass bei besserer Vorbeugung und Therapie der Komplikationen die Lebenserwartung deutlich verlängert werden könnte.
Kinder, die nicht über eine Magensonde ernährt werden müssen, sondern dies selbstständig tun können, haben eine höhere Lebenserwartung.
Was in jedem Fall ungünstig für eine Vorhersage des Krankheitsverlaufes ist, sind die schweren (nicht behandelbaren) epileptischen Anfälle.

 

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Adressen zum Thema "Lissenzephalie"

Patientenverbände: 1 Eintrag

Selbsthilfegruppen: 1 Eintrag

 

 



 

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