Rheuma
Überblick
Rheuma ist der Oberbegriff für verschiedene, schmerzhafte und entzündliche Erkrankungen des Bewegungsapparates und der Gelenke. Es können auch Weichteile und andere Bindegewebsstrukturen betroffen sein. Bei Kindern ist diese Erkrankung nicht so häufig wie im Erwachsenenalter, aber immerhin erkranken in Deutschland jedes Jahr zwei- bis dreitausend Kinder und Jugendliche daran, bei denen die Krankheit chronisch verläuft. Bei den meisten Rheumaformen im Kindesalter tritt eine Gelenkentzündung („Arthritis“) auf. Man unterscheidet bei den verschiedenen rheumatischen Erkrankungen chronische und akute Formen der Arthritis. Neben diesen zwei Hauptarten gibt es noch sehr viele andere rheumatische Erkrankungen, z.B. rheumatisches Fieber, Kawasaki-Erkrankung oder Sklerodermie, welche jedoch nicht an dieser Stelle besprochen werden.
Ursachen und Symptome der verschiedenen Rheumaformen
Das Gelenk
Um zu verstehen, welche Auswirkungen Rheuma auf die Gelenke haben kann, sollte man sich den vereinfachten Bau eines Gelenks folgendermaßen vorstellen: Ein Gelenk verbindet zwei oder mehr Knochen miteinander. Die am Gelenk beteiligten Knochenflächen sind mit einer Schicht Knorpel überzogen. Dieser Knorpel schützt den Knochen, ist eine Art „Puffer“ und kann die Kraft, die auf ein Gelenk wirkt, verteilen, ohne dabei selbst verformt zu werden. In dem Gelenk gibt es eine Kapsel („Capsula articularis“) welche mit einer Flüssigkeit gefüllt ist (Gelenkschmiere oder „Synovia“). Diese Kapsel umhüllt das ganze Gelenk und den Raum zwischen den Knochen und ermöglicht so ein reibungsloses Zusammenspiel der Knochen. Außerdem gibt es besondere Einrichtungen wie Verstärkungsbänder, Schleimbeutel („Bursae“) und natürlich die am Gelenk ansetzenden Sehnen, welche zum Muskel führen und die Bewegung ermöglichen.
Arthritis
Arthritis ist eine Gelenkentzündung, welche nicht durch traumatische Ereignisse (Unfall, Operation etc.) hervorgerufen wird. Dabei schwillt die Gelenkkapsel an und es wird vermehrt Synovialflüssigkeit produziert. Es kommt zu einer Flüssigkeitsansammlung im Gelenk, einem Erguss. Die Haut kann leicht gerötet sein und ist um das Gelenk herum heiß, außerdem ist die Beweglichkeit durch den Erguss eingeschränkt. Bei Entzündungen werden verschiedene Entzündungsmediatoren vom Körper ausgeschüttet, diese „locken“ Fresszellen (so genannte Makrophagen) zum Entzündungsherd, welche die krank machenden Substanzen dann aufnehmen. Wenn die Entzündung länger andauert, kann es zu einer degenerativen Veränderung des Gelenks, zu einer Arthrose kommen. Die relativ unspezifischen Makrophagen „fressen“ dann nicht nur die im Gelenk vorhandenen Krankheitserreger, sondern auch körpereigenes, gesundes Gewebe wie Knorpel und Knochen.
Akute Form des kindlichen Rheumas
Infektassoziierte Arthritis
Die akute Form der rheumatoiden Arthritis im Kindesalter tritt am häufigsten auf (etwa zehnmal mehr als die chronische). Sie wird meist durch eine Infektion mit Bakterien oder Viren (z.B. Streptokokken oder Rötelvirus) ausgelöst. Neben den starken Gelenkschmerzen tritt Fieber auf. Da die Arthritis jedoch selbstbegrenzend ist, gibt es dementsprechend gute Prognosen. Die akuten Formen hinterlassen keine Gelenkschädigungen und können relativ schnell (innerhalb von zwei bis drei Wochen) abheilen. Manchmal können sie aber auch mehrere Monate oder sogar Jahre „ausharren“, dann ist die Unterscheidung zwischen akuter oder chronischer Form des Rheumas schwierig.
Chronische Formen des kindlichen Rheumas
Die chronischen Formen verlaufen sehr langsam, werden daher häufig erst spät entdeckt und können zu diesem Zeitpunkt schon Schäden an den Gelenken hervorgerufen haben. Den Entstehungsmechanismus kennt man noch nicht, es gibt jedoch verschiedene Faktoren, die eine Erkrankung begünstigen. Relativ sicher ist man, dass es eine familiäre Komponente gibt, welche in Zusammenhang mit verschiedenen äußeren Einflüssen eine auslösende Rolle spielen kann. Auch die fehlerhafte Immunreaktion (siehe Arthrose) des Körpers auf gesundes Gewebe ist an der Entstehung einer chronisch-rheumatischen Erkrankung beteiligt. Diskutiert werden auch psychische Stress- oder Belastungssituationen sowie Unfälle und Überlastung oder Infektionen. Häufig treten die Symptome jedoch völlig unerwartet und ohne äußere Einflüsse oder erklärbare Auslöser auf.
Juvenile chronische Arthritis (JVA)
Die JVA ist ein Oberbegriff für die verschiedenen chronischen Gelenkerkrankungen im Kindesalter. Es gibt verschiedene Subtypen, deren Unterscheidung sinnvoll ist, da sie sich in Therapie, möglichen Komplikationen und Prognose unterscheiden. Die Zuordnung zu einem Subtyp ist jedoch nicht immer möglich, da man die einzelnen Erkrankungen nicht immer klar gegeneinander abgrenzen kann. Bemerkbar macht sich eine JVA dadurch, dass Kinder in bestimmten Bewegungen eingeschränkt sind, zu hinken beginnen, bestimmte Gelenke schonen oder verschiedene Aufgaben nicht mehr bewältigen können. (Aufgrund von Schmerzen in der Hand kann z.B. der Füller nicht mehr richtig gehalten werden und es treten Schreibprobleme auf.) Kleine Kinder sagen nicht immer, dass ihnen etwas weh tut, selbst wenn sie das Gesicht nach schmerzenden Bewegungen verziehen. Daher kann es sehr hilfreich sein, wenn Eltern in einem ruhigen Moment alle Gelenke bewegen und das Kind dabei beobachten. Dies kann für den behandelnden Kinderarzt aufschlussreich sein, um die Situation besser beurteilen zu können. Bei der systemischen Form der JVA sind nicht nur Gelenke, sondern auch Weichteile und Organsysteme betroffen. Sie tritt bei zehn Prozent der Kinder auf, meist setzt sie zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr ein. Diese schwerwiegende Erkrankung geht mit verschiedenen Symptomen einher. Sehr oft sind die Lymphknoten im Hals- und Schulterbereich geschwollen, Organe wie Milz und Leber vergrößert oder der Herzbeutel kann sich entzünden. Das Bauchfell ist ebenfalls von der Entzündung betroffen. Die systemische JVA tritt in Schüben auf und ist meist von hohem Fieber begleitet. Durch EKG und Sonographie kann die Beteiligung anderer Organe abgeklärt bzw. beurteilt werden.
Polyartikuläre Form der JVA ohne Rheumfaktor
Bei dieser Form sind mindestens fünf Gelenke (außer den Gelenken der Lendenwirbelsäule) betroffen. Sie kann während des gesamten Kindesalters beginnen. Oft treten die Beschwerden symmetrisch auf (also zum Beispiel an beiden Handgelenken) und schließen die kleinen Fingergelenke mit ein. Fast immer sind die großen Gelenke (Hüfte, Knie, Schulter) ebenfalls betroffen, außerdem treten gehäuft Sehnenscheidenentzündungen auf. Da sich Kinder und Jugendliche normalerweise viel bewegen, kann eine Einschränkung in der Bewegungsfähigkeit auch zu psychosozialen Entwicklungsstörungen führen – wenn das rheumakranke Kind nicht mehr mit Gleichaltrigen spielen kann.
Frühkindliche Oligoarthritis
Meist sind Mädchen von dieser speziellen Form der JVA betroffen. Die Erkrankung beginnt häufig zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr. In der Regel sind nur ein bis vier Gelenke betroffen, die asymmetrisch auf den Körper verteilt sind (z.B. können nur Knie- und Sprunggelenk der linken Seite betroffen sein). Neben häufigen Entzündungen der Kniegelenke (Gonarthritiden), die den Prozess des Laufenlernens behindern können, ist die Oligoarthritis oft mit einer chronischen Iridozyklitis verbunden, einer Erkrankung des Auges, bei welcher die Iris und der Ziliarkörper entzündet sind. Da das Kind im schlimmsten Fall bei einer nicht behandelten Irodozyklitis erblinden kann, ist eine regelmäßige augenärztliche Untersuchung sehr wichtig. Je eher die Entzündung der Iris diagnostiziert wird (durch eine Untersuchung mit der Spaltlampe), umso besser sind die Chancen, durch medikamentöse Therapie eine vollständige Heilung zu erzielen.
Diagnose
Die Diagnose ist für Ärzte manchmal nicht einfach, da Rheuma in so vielen verschiedenen Varianten auftreten kann und auch andere Erkrankungen zu Gelenkbeschwerden führen können. Es wird eine ausführliche Anamnese durchgeführt, um andere Erkrankungen auszuschließen und um den Beginn der Beschwerden und eventuelle Vorerkrankungen (z.B. Röteln) zu erfragen. Wenn ein Röntgenbild angefertigt wird, kann man in frühen Stadien der Erkrankung noch keine degenerativen Veränderungen sehen, jedoch andere Knochenerkrankungen ausschließen. Für die Dokumentation und den Verlauf sind sie aber wichtig, da ein Gelenkverschleiß erst nach mehreren Monaten oder Jahren sichtbar wird. Außerdem werden alle Gelenke nach der sog. „Neutral-Null-Methode“ überprüft. Sie gibt eine Aussage über den Bewegungsumfang bzw. die Einschränkung der Gelenke und dient dem Arzt zum Protokollieren und Überprüfen der Beweglichkeit. Dabei misst der Arzt die verschiedenen Bewegungsumfänge mit einem Winkelmesser. Wenn man nach bestimmten Erregern sucht, kann eine Blut- oder Stuhluntersuchung hilfreich sein, sie ist für die Diagnosestellung aber nicht ausschlaggebend. In wenigen Fällen der juvenilen rheumatoiden Arthritis kann man einen Rheumafaktor im Blut nachweisen (dieser tritt allerdings viel häufiger bei Erwachsenen auf).
Therapie
Bei der Therapie muss der Arzt davon ausgehen, dass der Verlauf der Erkrankung nicht vorhersehbar ist und ein Abklingen auch ohne Behandlung (manchmal erst nach vielen Jahren) möglich ist. Bei rechtzeitiger und konsequenter Therapie sind Gelenkenschäden, welche zu Behinderungen führen, fast immer zu vermeiden. Je nach Subtyp unterscheiden sich die Therapien, allgemein kann man aber sagen, dass eine ausgewogene medikamentöse und krankengymnastische Behandlung die Erkrankung eindämmen kann. Ziele der medikamentösen Therapie sind vor allem die Linderung der Beschwerden, das Vermeiden von bleibenden Gelenkschäden und letztlich die Heilung der Grunderkrankung. Es gibt eine große Auswahl an Medikamenten, die aber leider auch viele Nebenwirkungen hervorrufen können. Die genaue Abstimmung durch einen Kinderarzt oder -rheumatologen ist deshalb sehr wichtig. Den Eltern sei ans Herz gelegt, das Kind gut zu beobachten, um gegebenenfalls auf eventuell auftretende Nebenwirkungen zu reagieren und den Arzt darüber zu informieren. Ein vertrauensvolles Verhältnis und eine gute Zusammenarbeit zwischen Arzt und Familie spielen deshalb eine bedeutende Rolle. Wichtig ist aber auch die soziale Betreuung und Unterstützung des Kindes. Die Familie sollte über die Krankheit aufgeklärt sein und sie akzeptieren – und das Umfeld, in dem sich das Kind befindet, über die Erkrankung informieren. Denn oft können die Kinder ihrem Bewegungsdrang nicht folgen und sind so vom Spielen und Toben ausgeschlossen. Man sieht den betroffenen Kindern aber ihre schwere Krankheit meist nicht an, und wenn Mitschüler oder Lehrer das Problem nicht kennen, werden die Kinder dann möglicherweise zum „Durchhalten“ gezwungen.
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